Zuletzt gespielt/ausprobiert + Meinung zum Spiel

Wir sind so beeindruckt von

So nicht, Schurke!

dass ich mich tatsächlich bemüßigt fühle, dem Spiel ein paar Worte zu spenden.

Während des Lockdowns haben meine Kinder so einiges angestellt. Sie haben der Elfe im Grausigen Garten ihren Bogen stipitzt, beim einmalig gefährlichen Schnick-Schnack-Schnuck-Turnier in einer zwielichten Milchshake-Bar ihr Raumschiff an einen Goblin verzockt (und ihm verschwiegen, dass es seit des Zwischenfalls mit der Zuckerwatte nicht mehr richtig funktioniert), einer naiven Hexe ein Fläschchen Regenbogenpups für teuer Geld angedreht und quasi im Vorbeigehen einen Magierturm auf der geheimnisvollen Insel im La-Buh-See in die Luft gejagt.

Alles Kollateralschäden freilich, wenn man bedenkt wie viel Gutes sie in Fabula bereits geleistet haben. Immerhin herrscht wieder etwas Ruhe am Friedhof im Land nebenan, seit die kleinen Helden dem ängstlichen Totengräber ein Mutlicht aus der Höhle eines Bauchkreischers besorgt haben. Auch dass der bestimmt nicht verfluchte Vergnügungspark wieder geöffnet hat und für mindestens 100 Jahre bestimmt nicht verflucht bleibt, geht auf das Konto meiner zwei mutigen Recken. Und wer wollte nicht schon mal die sagenhaften Drachenrotz-Fälle besuchen? Kein Problem, seit die Sägezahn-Hexen dort Reißaus genommen haben.

Meine Kinder (beide 6) und ich spielen unsere ersten Partien „So nicht, Schurke!“. Ein waschechtes Pen&Paper Rollenspiel vom Uhrwerk Verlag und Pegasus Spiele. Dabei bereisen sie durch geheime Portale in ihrem Kinderzimmer das Land Fabula mit seinen 4 Reichen „Aus dem Fenster“, „Hinter den Büchern“, „Im Schrank“ und „Unter dem Bett“.

„So nicht, Schurke!“ ist komplett auf Kinder und deren (Nerd-)Eltern getrimmt. Der Einstieg ist superleicht. Das beginnt schon mit der Charaktererschaffung, die sogar in 3 Komplexitätsstufen skalierbar ist. In der simpelsten Variante formulieren die jungen HeldInnen den Satz „Ich bin eine (hier Heldenklasse einsetzen)“. Karten mit fertigen Heldenklassen, vom Astronauten bis zur Zauberin ist alles dabei, liefern die dazugehörigen Eigenschaften und Kniffe.

In der komplexesten Art der Heldenerschaffung wird der Satz um Eigenschaften erweitert, welche die vier Stats (stark, schnell, schlau und fabelhaft) modifizieren und manchmal Bonis geben. Ein typischer Satz lautet dann etwa „Ich bin eine raffinierte Spionin, die Schleimiges liebt“. Schließlich gibt’s noch Ausrüstung und einen Begleiter und schon kann das Abenteuer beginnen.

Das Regelwerk ist einfach erklärt und wer schon die eine oder andere Kampagne eines klassischen Pen&Paper Rollenspiels wie D&D oder DSA genossen hat, kann hier leicht die wichtigsten Eckpunkte überfliegen. Grundsätzlich werden die meisten Aktionen, die einen Proben-Wurf erfordern, einzig mit einem W6 gewürfelt.

Ein zusätzliches Abenteuerbuch für Erzähler (unter P&P-Aficionados gerne auch Spielleiter, Meister oder Dungeon Master genannt) führt selbst den fantasielosesten Höhlentroll behutsam in die Welt des Rollenspiels ein. Es gibt Ratschläge wie man ein spannendes Abenteuer erzählt und erläutert nochmal die wichtigsten Regeln.

Das wohl wichtigste Unikum in diesem Rollenspiel: erlaubt ist, was Spaß macht. Die jungen AbenteurerInnen sollen Dinge ausprobieren dürfen, der Erzähler wird angehalten möglichst oft „Ja“ zu sagen.
Die jungen Spieler können so ganz in ihren Rollen und ihrer Fantasie aufgehen. Als meine Beiden etwa das „Ritsche-ratsche“ der Sägezahn-Hexen hörten, sprangen sie von ihren Stühlen, versteckten sie sich unter dem Tisch – fanden dann aber heraus, dass sich die Hexen vor Bienen fürchten und konnten sie letzten Endes durch wildes Summen aus der Höhle verjagen.

Weniger angsteinflößende Monster werden schon mal mit einer T-Rex-Axt, einer Lakritz-Peitsche oder dem Zauberstab umgehauen. Die Kampfregeln sind simpel, können aber freilich durch Hausregeln ein wenig aufgepeppt werden. Gestorben wird natürlich nicht – wer am Ende seiner Kräfte ist, macht schlapp. Dann macht man sich eine Freude und bekommt alle seine Punkte wieder.

Das Spielmaterial wurde spürbar mit viel Hingabe gestaltet. Es gibt für Monster, Heldenklassen und Begleiter liebevoll illustrierte Karten. Der Vorrat an Statuspunkten wird durch Marker veranschaulicht. Jeder Held bekommt seinen eigenen bunten W6 und sein übersichtliches Charakterblatt, auf dem auch gerne gezeichnet werden darf.

Bei all dem Spaß darf man nicht vergessen, dass ein Rollenspielabenteuer auch vorbereitet werden will. Anfangs kann man sich der drei mitgelieferten Abenteuer bedienen, die übrigens durchaus gelungen sind. Später muss die Erzählerin selbst kreativ werden und das bedeutet eine gewisse Vorbereitungszeit. Wenn man sich dabei am Leitfaden des Abenteuerbuchs orientiert, dauert eine Spielrunde meist etwa 30 bis 60 Minuten.
Wer sich darauf einlässt, wird mit vielen spannenden Stunden in der charmant irren Welt von Fabula belohnt.

6 „Gefällt mir“