Ich sehe das ein bisschen anders, als die Vorkommentatoren. Grundsätzlich muss ich dazu aber etwas ausholen:
Generell ist den Urvätern von linker (Marx, Frankfurter Schule) wie rechter (heute ganz stark Carl Schmitt) eine Art Krisenbrille zu attestieren. Laut ihnen ist die Neuzeit als Epoche eine vorwärtsgerichtete, die jedoch aufgrund des fehlenden Heilsversprechen, dass es zB im Mittelalter schon noch gab, nur in eine unglaubliche Krise schlittern muss. Da sind sie sich komplett einig.
Wie diese Krise überwunden wird, da scheiden sich einfach die Geister. Marxisten sagen Weltrevolution und dann eine Utopie in Form des Kommunismus, Schmitt sucht eher den starken Souverän, der dann eigentlich das handlungsfähige Boot ist, in dem alle Freunde (weil Schmitt auch eine ganz starke Freund-Feind Dichtomie sieht) sitzen.
Man nimmt der Neuzeit sozusagen ihren genuinen Charakter, sagt, dass das in Wahrheit das Mittelalter nur ohne Gott ist (Säkularisierung als Stichwort) und das dieses Zeitalter überwunden gehört.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es noch genug, die das so sahen, es gab aber auch nicht wenige, die diese Krisenhaftigkeit Leid waren und daran gearbeitet haben, die Neuzeit als Epoche zu legitimieren und uns Zeitgenossen wieder handlungsfähig zu machen. Blumenberg, Luhmann, Habermas zB.
Der kalte Krieg vergeht, die Weltrevolution bleibt aus, es geht weiter und mit der NeoCon Bewegung in den USA gibt es viele Think Tanks, die plötzlich sehr stark Carl Schmitt nachreden, ohne ihn explizit zu erwähnen.
Das „Problem“ daran, Schmitts Argumentation ist sehr schlüssig, wenn man die Neuzeit wirklich als Übergangsepoche sieht und da die Legitimation der Neuzeit nach dem 2. WK nicht so wirklich gelungen ist, muss für die Politik das Primat der Krise weiterhin gelten und hier sind rechte Denke mangels Weltrevolution und Utopie im Vorteil.
Ziel muss daher wieder die Legitimation der Neuzeit, die Legitimation des Verhandelns und Aushandelns sein. Nicht sofort in Katastrophenmodus abgleiten, sondern immer ruhig bleiben und gesellschaftlich aushandeln, was wirklich wichtig ist. Das hat Merkel 2015 mit dem „Wir schaffen das“ versucht zu sagen und das hat man dann böse umgedeutet, weil auch wenn wir es gerne gewesen wären, wir sind noch nicht dort. Wir sind noch immer in der Serial Crisis, überleben wir eine Krise kommt gleich die nächste…
Oder anders, rechte Parteien werden erst dann an Wind verlieren, wenn sich die Gesellschaft bewusst wird, dass wir uns immer wieder in Krisen hineinsteuern, aber auch wieder raussteuern können. Bzw müssten wir uns sogar in einer Meta-Diskussion aus dem Boot bewegen und es betrachten.
Es braucht keinen Messias oder einen Rattenfänger, sondern wieder Mut sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Bis dahin werden sie sämtliche Wahlen gewinnen, weil sie scheinbar das einzige Rezept für Krisen haben.