Nach einem halben Jahr Pause – ihr wisst, immer viel zu tun –, nehme ich die zum Zeitpunkt des Schreibens aktuelle, aber mittlerweile auch schon wieder zwei Wochen vergangene Wochenstart-Umfrage zum Anlass, einmal mehr in meinen Erinnerungen zu wühlen. Und ja, eigentlich hatte ich das ohnehin vor. Ihr müsst wissen, als ich diese Einleitung schrieb, war ich auf Urlaub – und zwar auf jener Art von Reise, die ich mit einer gewissen (und mittlerweile auch eher akzeptierten) Langeweile verknüpfe: am Meer. Um für diese manchmal für mich unerträgliche Leichtigkeit des Seins gerüstet zu sein, habe ich tatsächlich einige Spiele mitgenommen, die ich für diese Kolumne erneut spielen wollte, um über sie schreiben zu können. Und effektiv? Habe ich mich dann doch anders entschieden, den Sandstrand (indirekt) als Anlass genommen und einen Titel aus meinen Erinnerungen geholt, über den ich schon länger schreiben wollte – hat er mich doch in meinen frühen Videospielerlebnissen geprägt. Wovon ich spreche? Buggy Boy.
Buggy Boy (in den USA auch Speed Boy) ist ein Arcade-Racing-Game aus dem Jahr 1985. Und nein, ich weiß auch nicht, warum mich der Titel immer an Sand erinnert, ist das doch gar nicht das Thema (vermutlich ist es das Wort „Buggy“, das bei mir leicht zu „Strandbuggy“ wird). Stattdessen geht es auf fünf Strecken darum, im Ziel anzukommen (was gar nicht so leicht ist) und einen Highscore zu erreichen (was auch eine gewaltige Herausforderung ist): Denn die Zeit, die euch bleibt, um einen Abschnitt zu bewältigen, tickt gnadenlos runter. Die Zielflagge zu sehen erfordert vor allem auf späteren Strecken eine nahezu perfekte Fahrt.
Doch zum Anfang zurück: Ihr entscheidet euch für einen von fünf verschiedenen Kursen (Offroad, North, East, South und West), die sich in ihrem Layout (der erste ist ein Rundkurs, die anderen sind Etappenrennen), ihrer grafischen Gestaltung (im Hintergrund wird minimalistisch durch Elemente wie z.B. Pyramiden ein gewisses Theming der Strecken erzeugt) und den vorhandenen Hindernissen unterscheiden. Denn ja: Buggy Boy ist keines jener Spiele, bei denen es darum geht, mit dem perfekten Drift um den Kurs zu fegen, sondern eher jene Kategorie von Racer, bei denen es zahlreiche Hindernisse gibt, die euch das rechtzeitige Erreichen des Etappenziels so schwer wie möglich machen sollen. Was nicht heißt, dass das Auswendiglernen des Kurses – aber eben vor allem der Hindernisse – nicht wichtig ist, wenn ihr den Highscore knacken wollt.
Das eigentliche Rennen wird in der typischen Pseudo-3D-Optik, die damals State of the Art war, gezeigt: Euer Buggy ist am unteren Bildschirmrand zu sehen und fährt (so ihr den Joystick nach oben drückt) los. Während die Beschleunigung nur die Landschaft rascher auf euch zukommen lässt, sind es die Lenkbewegungen, die euer Sprite nach links und rechts – und damit hoffentlich von den Hindernissen weg – bewegen. Da die Weitsicht nicht gerade hoch ist, ist es trotzdem nicht so einfach, rasch zu reagieren. Tatsächlich hat das Spiel darüber hinaus noch eine Gangschaltung, die allerdings sehr simpel ist: Mit dem „Lo“-Gang könnt ihr anfahren, später empfiehlt sich dann der „Hi“-Gang für höhere Geschwindigkeit. Dazu braucht es übrigens gar keinen Blick auf den Tacho – das Motorengeräusch hilft euch, den richtigen Zeitpunkt zum Schalten zu finden. Übrigens einer der wenigen Soundeffekte, nur die Musik wird noch sporadischer eingesetzt.
Nachdem wir nun schon ein paar Mal die Hindernisse erwähnt haben: Hier wird es kreativ. Auf den fünf Spuren (die allerdings nicht immer verfügbar sind, Stichwort Brücken und Tunnel) finden sich zum Beispiel Straßenlaternen, Bäume, Mauern, Zäune, umgestürzte Bäume und Sträucher, die uns das Leben schwer machen wollen. Doch es gibt auch mehr oder weniger nützliche Items: Verschiedenfarbige Tore schenken jenen, die sie durchfahren, die entsprechenden Punkte, während Zeittore wertvolle Bonuszeit verschaffen; weggekickte Fußbälle geben uns ebenso Punkte wie eingesammelte Fähnchen, wobei letztere noch viel mehr wert sind, wenn man sie in der angegebenen Reihenfolge erwischt. Und dann gibt es noch Äste, die wie eine Sprungschanze wirken und euch so vielleicht Hindernisse überspringen lassen (was aber auch bedeutet, dass ihr zeitweise manövrierunfähig seid, weshalb das Fahren über diese gut überlegt sein sollte); und Steine stellen euer Auto auf zwei Räder, was Bonuspunkte bringt, aber nur kurze Zeit (beziehungsweise wenige Lenkbewegungen) anhält. Mehr Zutaten braucht es auch gar nicht, um Spaß – und dennoch Herausforderung – zu haben.
Entwickelt wurde Buggy Boy von Tatsumi zunächst für den Arcade-Markt – mit einem für die damalige Zeit interessanten Feature: Gleich drei Screens wurden zusammengekoppelt, um ein breites Blickfeld zu ermöglichen (diese Idee hatte Tatsumi bereits zuvor bei ihrem Racing-Game TX-1 umgesetzt); später folgte aber auch eine Single-Bildschirm-Variante unter dem Namen Buggy Boy Junior. Das Spiel schlug ein und fand sich sowohl in Japan als auch in den USA in den Top 5 der finanziell einträglichsten Automaten (Kategorie „Upright/Cockpit Arcade Games von 1986“). Kein Wunder, dass es rasch Nachahmer gab (Yu Suzukis Power Drift (Arcade-Automat von Sega) wurde als eine Kombination von Outrun mit Buggy Boy bezeichnet) und Ports für die üblichen Heimplattformen entstanden. Diese unterscheiden sich allerdings – wie so oft in dieser Zeit aufgrund der unterschiedlichen Fähigkeiten der Hardware – deutlich. So hat die Version für den ZX Spectrum deutlich weniger Farben und wirkt hineingezoomt, während die 16-Bit-Versionen für Atari ST und Amiga mit der Power von 16 Bit wesentlich höhere grafische Qualität bieten. Jene Version, die allgemein als die beste gilt, ist allerdings die für den C64. Zwar ist sie optisch weniger beeindruckend, aber trotzdem wurde hier aus dem Brotkasten viel rausgeholt und selbst die Framerate ist – wenn auch nicht besonders hoch (die NTSC-Fassung läuft schneller als die PAL-Version) absolut ausreichend.
Die C64-Version ist auch die einzige, die ich jemals gespielt habe – das dafür allerdings ausgiebig. Ich bin mir zwar – wie bei vielen meiner Brotkasten-Spiele – überhaupt nicht sicher, wann das Spiel in mein Laufwerk wanderte, bin aber eigentlich überzeugt, dass es recht rasch nach dem Einzug des C64 in unser Haus über den Fernseher flimmerte und damit für mich (ungefähr gleichzeitig mit dem hier schon erwähnten Pitstop II) zu den ersten Rennspielen dieser Art (oder überhaupt, wenn man die Titel auf der G7000 nicht mitrechnet, die natürlich völlig anderes Gameplay hatten) wurde. Und nachdem ich schon den Formel 1-Simulator Pitstop II erwähnt habe: Bei Buggy Boy war der Fokus natürlich anders und dadurch für mich sogar spannender. Es war bunter, arcadiger; die Hindernisse, kurzen Soundeffekte und motivierende Zusatzaufgaben taten ihr Übriges – auch wenn das Spiel deutlich schwieriger war und ich mir eigentlich sicher bin, niemals das Ende auch nur irgendeiner Strecke erreicht zu haben. Es machte schon Spaß, es immer wieder zu versuchen.
Tatsächlich – auch wenn ich gescheitert bin – muss ich wohl Buggy Boy zugestehen, dass es einige Vorlieben in mir ausgelöst hat: Meine Liebe zu arcadigen Rennspielen (später wurde die Lotus-Trilogie ein würdiger Nachfolger, bevor ich lange Jahre Pause machte und erst mit Mario Kart Double Dash wieder in diese Richtung ging); eine Vorliebe für Strecken, die nicht einfach nur im Kreis gehen, sondern tatsächlich Etappen und Abwechslung bieten (was leider am ehesten Rallye-Spielen entsprechen würde, die aber selten so arcadig daherkommen, wie ich meine Rennspiele bevorzuge); und natürlich eine Liebe für diese Art von Pseudo-3D-Racern, die mit Sprites aus den eigentlich schwachen Computern viel herauszaubern konnten.
Das ist aber auch, warum ich Buggy Boy vermisse. Meine „Urlaubsfahrt“ (so habe ich das als Kind immer gesehen) durch die Landschaft, an vielen spannenden Hindernissen vorbei, gegen die Zeit, nicht gegen Konkurrenten (ja, die gabs auch, aber die landeten immer im Wänden oder Wasser, was ihre Kurzauftritte wieder beendete) bescherte mir viele glückliche Momente im Wohn- und später Kinderzimmer. Die „3D-Grafik“ war aus damaliger Sicht beeindruckend, das Tempo hoch, der Schwierigkeitsgrad ehrlicherweise auch, aber damals war man Frust einfach gewohnt – es gehörte zum Gameplay und war keine Spaßbremse. Ob ich das heute noch so sehen würde? Ein Spiel wie Buggy Boy habe ich danach nie wieder gefunden, und auch das Renngenre hat sich von dieser Art von Spielen eher abgewandt und setzt heute auf ganz andere Werte (und natürlich eine andere Optik). Aber genau deshalb hat Buggy Boy sich so eingebrannt und wird bis heute vermisst.