Originally published at: Kolumne: Sparwahn - Die Gefahren von Sales - SHOCK2
Habt ihr in den letzten Tagen auch kräftig gespart? Egal ob Konsolen oder Spiele zum halben Preis, dank Black Friday, Cyber Monday, wöchentlichen und täglichen Sales, wurde man von guten Angeboten förmlich erschlagen. Was die Konsumenten freut, kann für Unternehmen aber schnell nach hinten losgehen. Denn die Rabattschlacht bringt nicht nur Rekorderlöse im Weihnachtsgeschäft, sie könnte auch nachhaltige Folgen haben.
Der richtige Umgang mit dem Kunden
Customer Relationship Management, kurz CRM. Dies ist der Begriff der Wirtschaft, der das Verhältnis zwischen Kunden und Unternehmen beschreiben soll; die Kundenpflege. Ein unscheinbarer Begriff, der aber zwischen Erfolg und Pleite eines Unternehmens entscheiden kann. Wie stehen die Kunden zu meinem Unternehmen? Wie treu sind meine Kunden überhaupt? Warum kaufen sie bei mir und nicht bei der Konkurrenz? Das herauszufinden, die richtigen Schlüsse zu ziehen und Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, das ist das Ziel von CRM.Um überhaupt irgendwas in Richtung Kundenpflege anstellen zu können, muss es zuerst zur Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen kommen. Ein kleiner Lebensmittelverkäufer kann vielleicht noch darauf verzichten, wenn aber eine Marke ins Spiel kommt, muss man die Wünsche der Kunden kennen. Das geht zum Beispiel mittels Umfragen vor Ort, am Telefon oder über das Internet. Etwas moderner sind da schon Kundenkarten. Diese speichern ganz genau ab, welcher Kunde welches Produkt zur welchen Tageszeit und Jahreszeit gekauft hat. Für diese Unmengen an Daten versprechen die Unternehmen einen kleinen Rabatt oder exklusive Angebote und fertig ist das Fundament für CRM. Ein Haufen Daten, aus dem man nun die richtigen Schlüsse ziehen muss.
CRM im Videospielbereich
Die Videospielindustrie ist da natürlich noch ein Schritt weiter. Wer eine mit dem Internet verbundene Konsole anschaltet, generiert automatisch Daten für die Unternehmen. Welcher Trailer wurde besonders oft angeschaut? Welches Spiel wurde im Shop besonders oft gekauft? Welches Spiel wird zu einem bestimmten Zeitpunkt am häufigsten gespielt? Das sind alles Daten, mit denen sich das Videospielerlebnis "individualisieren" lässt. Die Werbung soll möglichst "relevante Inhalte" für den Kunden bereitstellen und zum Kauf animieren. Der wichtigste Faktor für einen Kauf ist aber nicht die Werbung, sondern der Preis. Und hier kann CRM eine zentrale Rolle spielen.Zu welchem Preis soll ein Unternehmen ein Produkt anbieten? Der Preis sollte im besten Fall die Kosten decken, eine gesunde Gewinnmarge beinhalten und möglichst viele Kunden zum Kauf animieren. All diese Ziele unter einen Hut zu bringen, ist schon kompliziert genug. Aber was wäre, wenn man jedem einzelnen Kunden einen individuellen Preis anbieten könnte? Also genau der Preis, den ein Kunde bereit ist zu zahlen, dem Unternehmen aber immer noch Gewinn einbringen würde? So ein CRM-System wäre unglaublich kompliziert und unglaublich teuer zu managen. Ganz abgesehen davon wäre es im realen Leben kaum umsetzbar. Aber Unternehmen haben noch ein anderes Mittel, um diese Idee zumindest ansatzweise anzuwenden.
Rabatte, Rabatte, Rabatte
Der Rabatt soll genau diesen Spagat schaffen. Auf der einen Seite zu mehr Erlösen führen, auf der anderen Seite aber einfach zu managen sein. Ein Rabatt für alle. Das funktioniert schon auf Steam seit vielen Jahren hervorragend. Seit einiger Zeit sind auch die Konsolenhersteller auf den Geschmack gekommen und bieten zudem auch spezielle Rabatte für Premiumkunden an. Xbox Live Gold, PS Plus und CRM machen es möglich. Nintendo geht hier sogar einen Schritt weiter und bietet mit dem eigenen CRM-System namens "MyNintendo" auch individuelle Rabatte an. So ganz individuell dürften diese zwar nicht sein, aber Nintendo wird Spieler je nach Interessen in verschieden Gruppen stecken und hier je nach Datenlage gewissen Gruppen gewisse Rabatte zu gewissen Spielen anbieten. Zu diesem Zweck sammelt Nintendo nicht nur Spieldaten (wozu man sich beim Starten eines Spieles aber bereit erklären muss), sondern verschickt auch fleißig Umfragen per Email.Aber auch bei Sales stellt sich die Frage, welcher Preis eigentlich sinnvoll ist. Natürlich würden die Verkäufe bei 90 Prozent Rabatt für kurze Zeit in die Höhe schießen, doch muss man sich den Gefahren auch bewusst sein. Sollten sich Kunden an solch niedrige Preise gewöhnt haben oder diese auch noch erwarten, könnte es für ein Unternehmen schnell eng werden. Immer mal wieder flammt das Thema bei den Steam Sales auf, auf dem PC ist das größere Problem aber wohl die Schwierigkeit, im großen Dschungel der angebotenen Spiele überhaupt wahrgenommen zu werden. Der Preisdruck wächst aber stetig, nicht zuletzt durch neue Bezahlformen wie “Pay what you want”, womit sich die Seite Humble Bundle einen Namen gemacht hat.
Sales: Lieber schlecht als zu gut?
Bei den Konsolen sind Preise für digitale Spiele oft ein Streitthema. Entweder kosten sie genauso viel wie ihre physischen Counterparts oder sie sind sogar teurer. Der ehemalige Nintendo-CEO Satoru Iwata hat genau das vor Investoren vor einigen Jahren noch damit begründet, dass man den Wert der Spiele schützen wollte. Das ist eine durchaus fundierte Sorge. Gewöhnen sich Kunden erst an niedrige Preise, könnten sie vielleicht nichts mehr zum regulären Preis erwerben. Auch sehr hohe individuelle Rabatte mithilfe von CMS können schnell negative Folgen haben. Wenn ein Unternehmen seinen besten Kunden 90 Prozent Rabatt anbietet, könnte es mal eben 90 Prozent der Erlöse in den Wind geschossen haben. Seinen besten Kunden einen besonders hohen Rabatt anzubieten mag vielleicht fair oder logisch klingen, ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht aber genau der falsche Schritt.Aber die Welt scheint sich anders zu entwickeln, als es Iwata wohl vorhersah. Ein Spiel erscheint, wenige Wochen später ist es schon im Angebot. Zum Black Friday wurden die größten AAA-Spiele des Jahres mit hohen Rabatten verkauft, obwohl diese teilweise erst vor wenigen Tagen erschienen waren. Da sollte es kein Unternehmen überraschen, wenn sich manche Spieler von nun entscheiden, die meisten oder gleich alle Spiele nicht mehr zum Launch und nur noch im Sale zu kaufen. Das ist vollkommen legitim und die Unternehmen scheinen das durch ihr Verhalten auch noch zu unterstützen.
Vielleicht aber haben sich die Unternehmen kollektiv in eine Ecke gedrängt. Mit jeder Preisschlacht könnte der Wille zum Erwerb eines Spiels zum Launch zum Vollpreis schwinden. Das könnte eine der Gründe sein, warum Spiele sich zum Beispiel im Vereinigten Königreich 2017 tendenziell schlechter zum Release verkaufen als in den Vorjahren. Aber viele Unternehmen freuen sich ja über die kurzfristigen Erlöse, was bleibt ihnen auch anderes übrig. Kunden hätten ihr Geld sowieso ausgegeben, dann muss man es sich halt für sich selbst beanspruchen, denken sie sich. Microsoft und Sony freuen sich indes über höhere digitale Erlöse auf ihren Plattformen, was zudem auch noch den ungeliebten Gebrauchtmarkt wie von alleine immer mehr in die Bredouille steckt. Auch Nintendo freut sich. Der eigene Black Friday Sale war im Vergleich zu den anderen Sales zwar eher ein Witz, trotzdem kündigt ein Indiestudio nach dem anderen Erfolge auf der Switch an. Die Plattform ist jung, viele Sales gab es nicht. Kunden erwarten keine hohen Rabatte. Damit ähnelt die Switch den anderen Konsolen vor einigen Jahren. Aber auch das dürfte sich früher oder später ändern.
Denn: Nach dem Sale ist vor dem Sale.