Originally published at: Kolumne: No Man's Talking - SHOCK2
Seit drei Jahren sprechen wir nun schon über No Man’s Sky, zwei Wochen nach Release spricht niemand mehr drüber.
Der “Triple-I”-Titel mutierte mit Sonys Marketing schnell zum “Triple-A”-Titel und wurde im selben Satz wie Call of Duty, FIFA und Uncharted erwähnt. Der Hype vor dem Release wuchs immer weiter, nur um zum Launch in sich zusammenzufallen.
Knapp 90% der Spieler der PC-Fassung spielen NMS zwei Wochen nach Release nicht mehr. Klingt nach viel, ist auch viel, aber durchaus normal. Der Videospielmarkt ist volatil. Kaum ein Spiel schafft es, sich lang an der Spitze der Verkaufscharts zu halten. Schnell richtet sich der Fokus auf den nächsten großen Titel. Früher war das nicht anders. Die Geschwindigkeit, in der Spiele den Fokus der allgemeinen Wahrnehmung betreten und wieder verlassen, hat sich erhöht. Aus ökonomischer Sicht bedeutet das: Preisverfall.
Zum Release verkaufen nur gewerbliche Händler zum Vollpreis das Spiel. Nach dem Release treten die Gebrauchthändler in den Markt. Aus ehemaligen Nachfragern werden Anbieter. Diese können auch zu 60€ verkaufen, aber wer würde schon Vollpreis für ein gebrauchtes Gut bezahlen (wobei wie bei allen digitalen Gütern die Daten auf dem Speichermedium durch den Gebrauch nicht an Qualität verlieren). Bei gewerblichen Händlern kommen noch Lagererhaltungskosten, Opportunitätskosten etc. hinzu. Kurz gesagt, wenn das Lager voll bleibt, sinkt der Preis.
60€ sind immer noch viel Geld und fühlen sich in der neuen Welt der günstigen und teilweise komplett kostenlosen Unterhaltung nach immer mehr an. So landen Spiele schnell in den Gebraucht-Kisten von GameStop oder auf eBay, um sich den nächsten Kauf zu finanzieren oder so viel wie möglich vom bezahlten Preis zurückzubekommen. Publisher wollen das verhindern. Eine Lösung: Multiplayer. Dieser benötigt wenig Handlung, der Spieler ist endlos beschäftigt und kommt im besten Falle gar nicht auf die Idee, das Spiel zu verkaufen. Call of Duty-Teile z.B. verkaufen sich auch Jahre nach Erscheinen noch zu einem verhältnismäßig hohen Preis. Und so erhielt eine Zeit lang gefühlt jedes Spiel einen Multiplayer, ob es denn nun passte oder nicht. Jedoch ist nicht jedes Spiel Call of Duty und nicht jeder guter Multiplayer ist ein Garant für einen stabilen Preis. Selbst Uncharted 4 lässt sich mittlerweile für 30€ in den Händlerregalen finden.
In den letzten Jahren lässt sich ein Trend beobachten, Leute investieren ihre gesamte Zeit in wenige Mutiplayer-Spiele. Wer spielt schon parallel Call of Duty Multiplayer, Battlefield Multiplayer und Uncharted Multiplayer? All diese Multiplayer-Modi haben das gleiche Ziel; die Spieler so lange wie möglich an der Stange zu halten. Dafür gibt es Erfahrungspunkte, Unlocks, Double XP Weekends. Ähnlich wie bei MOBAs entscheiden sich Spieler früh für ein Spiel und spielen es über einen sehr langen Zeitraum, statt, wie es bei Singleplayer-Spielen der Fall ist, von Spiel zu Spiel zu springen. Als neuer Titel im Multiplayergeschäft Fuß zu fassen, ist kaum noch möglich.
Was wäre jedoch, wenn das Spiel im Kern endlos wäre? Früher waren das World of Warcraft und Diablo, mittlerweile gibt es auch Loot-Shooter wie Destiny, The Division und Survival-Games wie Minecraft, Day-Z und Ark. Gerade Destiny mit NMS zu vergleichen, ist natürlich ungerecht. Publisher Activision plant Destiny 10 Jahre im Voraus und wird einen Misserfolg schlicht nicht zulassen. Und doch, NMS kostet 60€ und muss sich eben mit anderen 60€-Titeln vergleichen lassen. Da sind Aspekte wie die Teamgröße, Entwicklungszeit oder Finanzpolster egal. 60€ sind immer 60€. In diesem direkten Vergleich mit anderen Spielen dieser Preisklasse und sogar günstigeren Early Access Survival-Games auf dem PC hinkt NMS gnadenlos hinterher. Passiert, nicht jedes Spiel kann alle Erwartungen erfüllen. Sonys AAA-Marketing wirkt jedoch wie ein Megafon und verstärkt die teils wütende Kritik enttäuschter Spieler. Zu Zeiten von YouTube und Reddit verdrängt das Interesse an der Reaktion schnell das Interesse an dem Spiel.
Es wird noch viel über NMS in der Zukunft geschrieben und gesagt werden. Nüchtern betrachtet handelt es sich um einen missglückten Versuch, das verbuggte und ungeschliffene Genre der Survival-Games auf die Konsole zu hieven. Doch ist das Spiel mit der fast unendlichen großen Spielwelt größer als es selbst. Es steht für ein kleines Indiestudio, das nach den Sternen griff. Es steht für eine neue Marketingmaschinerie, die ein Indie- wie einen AAA-Titel verkaufen konnte. Und es steht für eine Spielerschaft, die sich mit Hilfe der Presse mal wieder verdattert im Zentrum des vorbeigewehten Hype-Sturms wiederfindet.
Doch jetzt gerade in diesem Augenblick ist es bedenklich still. Die Entwickler reden nicht, Sony redet nicht und die Spieler reden auch nicht. Nach dem lauten Knall des Marketings und der gebrüllten Kritik folgt erst mal Stille. Niemand redet mehr über No Man’s Sky. (kf)