Originally published at: Kolumne: Knappe Komponenten - Nintendo vs. Apple - SHOCK2
Ein Bericht des Wall Street Journals hat einen gänzlich neuen Aspekt des überraschenden Erfolgs der Switch offenbart: Die Komponenten werden knapp. Was genau bedeutet das für Nintendo, was hat das mit Apple zu tun und welche Rolle spielen eigentlich Zulieferer?
Shareholder und Stakeholder
Shareholder sind die Anteilseigner eines Unternehmens. Wer Aktien eines Unternehmens besitzt, ist Shareholder. Als solcher wünscht man sich vom Unternehmen vor allem eines: einen höheren Gewinn. Ein höherer Gewinn bedeutet eine wertvollere Aktie, vielleicht auch eine Dividende (Unternehmen schütten dabei Teile des Gewinns an Aktionäre aus). Finanzielle Ziele stehen im Mittelpunkt, denn immerhin hat man eigenes Geld gezahlt, um Shareholder zu werden.
Stakeholder sind alle Interessengruppen eines Unternehmens, auch die Shareholder. Zusätzlich kommen aber alle anderen Gruppen hinzu, die irgendwie mit dem Unternehmen verbunden sind und unterschiedliche Interessen verfolgen. Kunden, Mitarbeiter, Manager, Regierungen, andere Unternehmen, Umweltorganisationen, Zulieferer und andere. Viele der Stakeholder halten keine Aktien, sind also keine Anteilseigner. Ihr Interesse am Unternehmen basiert nicht nur auf Geld. So möchte eine Regierung, dass sich ein Unternehmen an den Mindestlohn hält, eine Tierschutzorganisation fordert ein Modehaus zum Stopp der Benutzung von Echtleder, Mitarbeiter fordern faire Arbeitszeiten und faire Gehälter.
Kunden sind für ein kommerzielles Unternehmen die wichtigsten Stakeholder. Kunden wollen hochwertige Produkte zu guten Preisen. Wenn ein Produkt die Standards nicht erfüllt, wird es nicht gekauft und ist ein Flop.
Einige Monate nach Launch ist deutlich geworden, dass die Nintendo Switch das Interesse der Kunden auf sich zieht. Ständig ist die Hybrid-Konsole ausverkauft. Es liegt ein Nachfrageüberschuss vor. In Japan bilden sich ellenlange Lotterieschlangen von Händlern, bei denen man mit Glück eine Switch kaufen kann.
Zulieferer
Zwar scheinen die Kunden also interessiert an der Switch zu sein, doch hilft das wenig, wenn diese Kunden keine Switch erwerben können. Alternativen zu Nintendos Konsole gibt es im heutigen Markt nicht. Also warten viele Kunden, kaufen im Internet zu überhöhten Preisen oder warten in Lotterieschlangen. Um einen Nachfrageüberschuss zu korrigieren, muss das Angebot erhöht, es muss also mehr produziert werden. Mehr Produktionsstraßen, mehr Mitarbeiter, höhere Auslastung der Maschinen. Dabei ist Vorsicht geboten, denn eine Änderung des Produktionsplans ist kostspielig und kann bei Fehlkalkulation richtig viel Geld kosten. Auch muss ein Unternehmen immer zwischen langfristiger Strategie und kurzfristigen Entscheidungen abwägen. Nintendo ist generell langfristig ausgelegt.
Das alles spielt aber keine allzu große Rolle, wenn die Komponenten für die Produktion fehlen. Hier geraten die Zulieferer in den Mittelpunkt des Problems. Zulieferer sind Unternehmen, die Komponenten für andere Unternehmen produzieren und verkaufen. Im Falle der Switch bereiten drei Komponenten aktuell Sorgen. Das LCD-Display, der NAND-Flash-Speicher und die Vibrationsmotoren für das HD Rumble. Da mittlerweile so viele Produkte die gleichen Komponenten verwenden, kommen die Zulieferer mit der Produktion kaum noch hinterher. Auch hier besteht also ein Nachfrageüberschuss. Unternehmen lösen solche Situationen aber nicht mit Lotterieschlangen, sondern mit Geld, Verträgen und Beziehungen.
Apple vs. Rest
Bühne frei für Apple. Lange Zeit die wertvollste Marke der Welt (Apple wurde von Google auf Platz 2 verdrängt), hat das Unternehmen aus Cupertino mit dem Erfolg des iPhones und iPads ein Netzwerk aus Zulieferern aufgebaut, mit dem es die globale Nachfrage erfüllt. Auf Apples Liste der 200 wichtigsten Zulieferer (PDF) befinden sich namen wie Panasonic, Texas Instruments (kennt man von den Taschenrechnern) und eben auch Toshiba, die mit der Produktion des NAND-Flash-Speichers nicht hinterherkommen.
Hier stellt Toshiba den Speicher her, den die ganze Tech-Industrie nachfragt. (Quelle: Toshiba)
Nun stellt sich also die Frage, welches Unternehmen bekommt die Komponenten zuerst? Unternehmen kaufen bei Toshiba zu jeweils eigenen Konditionen ein. Hier greift eine von Apples größter Stärke: die Beziehung zu ihren Zulieferern.
Für einen Zulieferer ist Apple in vielerlei Hinsicht Gold wert. Apple hat eine globale Nachfrage zu bewältigen und bestellt daher riesige Mengen an Komponenten. Für einen Zulieferer bedeutet das sichere Aufträge, die das Fortbestehen sichern, Gehälter der Mitarbeiter bezahlen und Profilierungsmöglichkeiten. Was es bedeutet, wenn Apple sich von einem Zulieferer trennt, zeigt das Beispiel des englischen Grafikchips-Herstellers Imagination Technologies, dessen Chip Apple ab 2019 nicht mehr verwenden wird. Das wurde im April bekannt gegeben.
Aufgrund der Stellung Apples und den großen Mengen, die das Unternehmen von seinen Zulieferern bestellt, kann es bessere Preise durchdrücken und hat so einen Vorteil im Vergleich zur Konkurrenz. Der Vergleich zwischen Apple und Nintendo ist hier wenig sinnvoll, da Nintendo selbst zu Wii-Zeiten nicht ansatzweise am Nachfragevolumen eines iPhones kratzte. Doch buhlen beide Unternehmen um die selben Komponenten. Für Toshiba gibt es also keinen guten Grund, den Flash-Speicher eher an Nintendo zu verkaufen, als an Apple.
Schwieriges Jahr voraus
Es ist schon ironisch, wie sich die Sorgen Nintendos vor und nach dem Release der Switch verändert haben. Vor dem Release spekulierte man noch von den Chancen der Switch im aktuellen Konsolen- und Smart Device-Markt, mittlerweile spekuliert man stattdessen über die maximal produzierbare Menge, die sich allen Anschein nach restlos verkaufen wird. Luxusproblem, könnte man sagen. Nintendo wird sich über die Situation aber wenig freuen. So erfolgreich die ersten Monate der Switch waren, so wichtig ist der kontinuierliche Aufbau der installierten Hardwarebasis, um mehr Publisher zu locken und mehr Spiele anbieten zu können. Die Situation dürfte noch schlimmer werden, wenn erst die beiden Verkaufsgaranten Splatoon 2 und Monster Hunter XX im Sommer erscheinen. Aktuelle Verkaufszahlen aus Japan lassen vermuten, dass Switch-Konsolen für den Launch dieser Spiele zurückgehalten werden, um die Nachfrage ansatzweise erfüllen zu können. Das dürfte bei der Beliebtheit Splatoons in Japan kaum möglich sein. Zusammen mit den neuen Problemen der knappen Komponenten dürfen sich japanische Kunden schon jetzt auf eines einstellen: Noch längere Lotterieschlangen. (kf)