Originally published at: Kolumne: E3 2019 – Das letzte große Luftholen vor Next-Gen – SHOCK2
Die E3 2019 ist vorbei. Wieder einmal buhlten die größten Videospielunternehmen der Welt mit neuen Ankündigungen, Trailern und Gameplay-Videos um die Aufmerksamkeit (und Vorbestell-Euros) der Videospieler. So weit, so bekannt. Schaut man aber etwas genauer hin, wird man schnell bemerken, dass die größte Geschichte dieser E3 gar nicht auf der E3 zu finden war: die Next-Gen.
Zeiten ändern sich
Seit Monaten sind sich Analysten und Journalisten einig, dass die nächste Generation an PlayStation- und Xbox-Konsolen 2020 erscheinen wird. Der Zeitraum ist eigentlich auch klar: Winter. Sony und Microsoft könnten zwar einen auf Nintendo machen und ihre neuen Konsolen im März statt zur traditionellen “Holiday Season” veröffentlichen, aber so viel Wagemut traut man ihnen nicht zu. Das werden zwei kostspielige Hardware-Kisten und zu den Feiertagen sitzt das Geld halt doch am Lockersten.
Wagemutig ist aber die Art und Weise, mit der die aktuelle Next-Gen-Runde eingeläutet wurde. Mit einem exklusiven Artikel im Online-Magazin Wired veröffentlichte Sony mal eben erste Details zur nächsten PlayStation. Keine Pressekonferenz. Keine “Sony Direct” namens State of Play. Keine Hype-Trailer. Ein Online-Artikel hat das nächste Produkt von Sonys wichtigster Marke angekündigt. Im Zeitalter des Livestreams ist das herrlich altmodisch. Oder zumindest anders.
Auch anders: Sony war gar nicht auf der Messe zu sehen. Der Marktführer ignoriert die E3. Eine schallende Ohrfeige an die “biggest trade show in the world”, die sich seit jeder als Mittelpunkt des Zeitgeschehens in Sachen Videospiele versteht. Vielleicht hatte Sony schlicht nicht genug Neues zu zeigen. Statt wieder nur Gameplay derselben Handvoll Titel zu zeigen, kann man sich das Geld auch gleich sparen. Was gibt es denn auch schon groß zu verlieren?
Verloren hat im Endeffekt die E3 selbst. Hört man den vor Ort anwesenden Journalisten zu, kann man ihre Verwunderung über die relativ leeren Gänge hören. Das mag für einen entspannten Aufenthalt sorgen, ist aber kein besonders gutes Zeichen für die Messe. Besonders nun, da sie seit einigen Jahren auch für die Allgemeinheit geöffnet ist. Dieser Allgemeinheit müssen Tickets verkauft werden. Da tut das Fehlen von Sony besonders weh. Merchandise- und Energy Drinks-Stände reichen für die teuren Eintrittskarten (knapp 1.000 US-Dollar) nicht aus.
Microsoft bleibt in Lauerstellung
Na gut. Sony ist nicht da, Nintendo macht sowieso sein eigenes Ding mit der Hybridkonsole Switch. Der perfekte Zeitpunkt für Microsoft also, aus allen Next-Gen-Kanonen zu feuern und die E3 ganz klar “zu gewinnen”. Oder? Nicht wirklich. Microsoft konzentrierte sich lieber auf das Hier und Jetzt. Auf Microsoftisch bedeutet das: Services.
So entpuppte sich die Microsoft-PK recht schnell als Dauer-Game-Pass-Werbesendung. Von den insgesamt 60 gezeigten Titeln erscheinen 34 gleich auf Game Pass. Also warum viel mehr Geld ausgeben und diese Titel einzeln auf anderen Plattformen kaufen? Zusätzlich wurde Game Pass für PC mit einer eigenen Spielesammlung vorgestellt und für die perfekte Krönung auch noch Game Pass Ultimate (nicht Xbox Live Ultimate, wohlgemerkt) angekündigt. Mit Game Pass hat Microsoft sein eigenes “PS Plus” gefunden. Eine neue Service-Marke, die viel Wert bietet und die alle mögen. Die Botschaft der Redmonder ist klar: “Dieser Deal ist so gut, ihr müsst euch einfach Game Pass holen!”
Der zweite Teil dieser Botschaft ist ebenfalls klar. “Game Pass ist so gut, da kann man sich auch die nächste Xbox holen!” Diese nächste Xbox schwirrt schon seit geraumer Zeit im Raum herum, nun wurde “Xbox Scarlett” offiziell angekündigt. Statt aber handfeste Details zu präsentieren und DIE NEWS der E3 2019 abzuliefern, beschränkte sich Microsoft auf eine sehr minimalistische Botschaft. Schnelle Ladezeiten, höhere Auflösung, super Hardware. Kurzum: alles besser. Das ist an sich keine verkehrte Botschaft, doch hat Sonys altmodischer Online-Artikel vor wenigen Wochen eigentlich genau das gleiche gesagt.
Das Streaming-Gespenst
Generell hat es der E3 2019 an großen Überraschungen gefehlt. Der Release-Kalender ist zwar gut gefüllt mit vielen interessanten Titeln in der näheren Zukunft, aber irgendwie vermisst man dieses berühmte “eine große Ding”. Die größte “Überraschung” dürfte die Ankündigung von The Legend of Zelda: Breath of the Wild 2 gewesen sein. Was angesichts der Verkaufszahlen des Mega-Erfolgs aber das Gegenteil einer Überraschung sein sollte.
Während Journalisten und Videospieler also ein wenig ratlos mit den Achseln zucken und die E3 2019 definitiv in keiner “BEST E3 OF ALL TIME!”-Liste zu finden sein wird, beschäftigt sich die Industrie neben der Next-Gen noch mit dem anderen großen Thema: Streaming.
Google hat es sich nicht nehmen lassen und veröffentlichte vor der Messe eine eigene kleine “Direct”, um nähere Details und Preise für den Streaming-Dienst Stadia anzukündigen. Kaum war der Livestream vorbei, war die Ernüchterung der Spielerschaft förmlich zu spüren. Zwar gibt es für Abonennten eine Sammlung von frei spielbaren Titeln, mit “Netflix für Videospiele” hat es dann aber doch nicht so viel zu tun. Überhaupt haben Netflix und die stetig wachsende Anzahl an Konkurrenten schon längst begriffen, was Google aktuell noch unter den Teppich kehrt: exklusiver Content ist König. Und Google erstellt keinen Content. Das kann am Anfang nicht gut gehen.

Für die Streaming-Komponente des neuen Abo-Service Uplay+ kooperiert Ubisoft eng mit Google.
Während sich der Software-Riese also in diese fremden Gewässer wagt, planen Microsoft und Sony mit xCloud bzw. PS Now ihre eigenen Streaming-Lösungen. Irgendwie glauben alle zu wissen, dass Streaming in Zukunft wichtig sein wird. Aber niemand weiß genau, wie das Geschäftsmodell aussehen soll und welche Features relevant sein werden. Oder was Streaming mit der Industrie so alles anstellen könnte. Das ist für das ohnehin schon volatile Videospielgeschäft spannend und angsteinflößend zugleich. Die E3 2019 zumindest bot aber keine Antworten auf diese Fragen.
Wer hat die E3 2019 gewonnen?
Auf diese (zugegeben recht sinnlose) Frage gibt es dieses Jahr recht simple Antworten. Microsoft, weil man sich Game Pass eigentlich holen muss. Sony, weil sie sich viel Geld gespart haben. Nintendo, weil der Release-Kalender voller Exklusivtitel ist. Zur E3 2019 selbst kann man aber eigentlich nur eines sagen: