Internet anno 1985

Internet anno 1985

Die ganze Welt benutzt das Internet. Die ganze Welt? Nein, denn ein kleiner Teil der Computerbenutzer leistet den Internet Riesen Google, Facebook und Amazon erbitterten Widerstand. Diese kleine, aber stetig wachsende Gruppe verwendet sogenannten Mailboxen, auf englisch Bulletin Boards oder kurz BBS genannt.

Auch schon vor dem großen Internet Boom Anfang der 2000er Jahre gab es schon Städte und Länderübergreifende Computernetzwerke wie z.B. das ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network) aber es gab auch bereits für Private zugängliche Netzwerke die per Telefonleitung gebildet wurden. Eines der bekanntesten Netzwerke ist das FidoNet das zu seinen Hochzeiten bis zu 40000 Knoten hatte aber Großteils (aber eben nicht ganz) durch das Internet verdrängt wurde.

Die Mystic BBS Software

Wenn man heutzutage eine BBS besuchen will ist dies immer noch über ein Modem und eine Telefonleitung möglich, aber deutlich einfacher (und wahrscheinlich auch günstiger) ist die Verbindung per Telnet oder Secure Shell (SSH) und die Benutzung einer Software wie z.B. Syncterm. Diese Software ermöglicht es recht einfach auf die verschiedenen Mailboxen zugreifen zu können und vor allem die ANSI Grafiken in ihrer vollen Pracht zu sehen.

ANSI Grafik

Denn diese Grafiken sind es die den ersten Besuch einer Mailbox zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Denn diese Bilder sind wahre Kunstwerke die aus sehr begrenzten Mitteln erstellt werden. Es gibt zahlreiche Künstler die sich auf diese Art der Darstellung spezialisiert haben und was diese Menschen teilweise auf den Bildschirm zaubern ist wirklich atemberaubend.

Aber was bringt es einem solche Mailboxen zu besuchen? Grundsätzlich bieten Mailboxen die gleichen Dinge wie das Internet. Es gibt Foren, Mails, Files zum Download, Spiele und vieles mehr. Ja, aber warum denn nun eine BBS dafür besuchen und es nicht gleich im Internet tun? Dafür gibt es viele Gründe. Zum einem ist der Kreis der Benutzer von Mailboxen deutlich kleiner und deshalb gibt es deutlich weniger Trolle als z.B. in Foren. Und wenn mal jemand aus der Reihe tanzt ist er auch ganz schnell wieder weg aus der Mailbox. Viele Mailboxen sind auch auf bestimmte Themenbereiche spezialisiert und so findet man dann in diesen sehr schnell gleichgesinnte und Hilfe bei Fragen.

Ein weiterer interessanter Grund ist auch das man hier weder Google, noch Facebook usw. irgendwelche Daten liefert. Denn die Mailboxen sind quasi nur untereinander verknüpft und deshalb außerhalb der Sammelwut der großen Konzerne.

Und ein Punkt ist besonders interessant für alle die genre alte Computerhardware benutzen. Das Internet ist, wenn man keinen aktuellen Browser und ordentlich Rechenpower hat, inzwischen fast unmöglich zu benutzen. Nicht so Mailboxen, denn diese sind schon aufgrund ihrer Natur besonders gut für C64 und co. geeignet. Und dank dem Erfindungsreichtum einiger Menschen kann man heutzutage sehr einfach mit einem alten System per WLAN und Internet auf Mailboxen zugreifen.

Ich hoffe mit diesem Blogeintrag Euch den Besuch einer Mailbox ein wenig Schmackhaft gemacht zu haben. Aktuell bin ich gerade dabei für das Museum eine eigene kleine Mailbox auf die Beine zu stellen die dann auch aus dem Internet per SSH und auch per Telnet erreichbar sein wird. Und um zu Zeigen wie das früher über die Telefonleitung ging im Museum einen Einwahlzugang zu haben der den Besuchern zeigt wie man früher Computer vernetzt hat, inklusive dem berühmten Gezirpe und Gekreische beim Verbinden der Modems, an das sich die Benutzer des frühen Internets sicher noch erinnern werden.

Sobald die Mailbox läuft gibt es genauere Informationen wie sie erreichbar ist und auch wie ihr sie mit Eurer alten Hardware erreichen könnt. Also bleibt gespannt was die Zukunft bringt und seht Euch mal in einer BBS um, es lohnt sich.

Originalpost unter https://kautzner-computer-museum.at/2021/03/20/internet-anno-1985/
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