Kolumne: Nintendo stellt das NES Classic Mini ein – Warum?

Nintendo stellt die Produktion des NES Classic Mini in den USA ein, der Rest der Welt dürfte folgen. In Anbetracht der immer noch immens hohen Nachfrage kann man sich nur fragen: Warum? Ein paar Mutmaßungen.

Lizenzalbtraum
Lizenzen zählen wohl zu den leidigsten Themen, mit denen sich die Medienindustrie befassen muss. Sie sind sehr wertvoll, sehr teuer und sehr nervig. Entwickler von Musikspielen mit lizenzierten Songs müssen immer wieder Lieder aus dem Katalog entfernen, weil die Lizenzen auslaufen. Gar komplette Spiele müssen aus den Marktplätzen verschwinden, wenn die Lizenz nur zeitlich gewährt wurde. Das ist zum Beispiel bei den Videospielen mit Disneylizenz der Fall.

Lizenzen sind teuer. Nicht nur kosten sie je nach Markenkraft viel Geld, auch der Prozess des Verhandelns kostet Zeit und Geld. Das NES Mini mit seinen 30 Spielen wird hier keine Ausnahme sein. Der Großteil des Softwareangebots stammt von Nintendo selbst, hier fallen keine Kosten an. Aber Capcom, Square Enix, Konami, Tecmo, Namco Bandai und Arc System Works sind einen Vertrag mit Nintendo eingegangen, der die genauen Details der Nutzung ihrer Marken definiert. Wir kennen diese Details nicht, aber die Lizenzen wurden sicherlich nur für ein gewisses Limit verkauft. Sprich: Nintendo muss nach einer gewissen Zeit (drei Jahre z.B.) oder einer gewissen Menge verkaufter Einheiten die Lizenzen noch mal aushandeln. Bei dem überraschenden Erfolg des NES Mini wäre das ziemlich teuer. Selbstverständlich wittern die Lizenzgeber wie Capcom, Square Enix, etc. hier ihre Chance, höhere Gebühren von Nintendo zu erhalten. Und wir sprechen hier von einem Unternehmen, das keine Lizenzgebühren für die Nutzung des DVD-Codecs auf der Wii zahlen wollte.

Produktionspläne
Ein Produktionsplan regelt die produzierte Menge eines Produkts für einen gewissen Zeitraum. Hierbei ist Vorsicht geboten, da ein ineffizienter Produktionsplan sehr teuer für ein Unternehmen sein kann. Es muss die Nachfrage für einen Zeitraum in der Zukunft so gut wie möglich berechnet werden. Kurzfristige Änderungen am Produktionsplan sind nicht wünschenswert, da auch diese viel Geld kosten.

Nintendo ist konservativ, wenn es um Produktion geht. Sehr konservativ. Soll heißen, oft stellt Nintendo einfach zu wenig her. Seien es amiibo, Pokémon GO Plus, einzelne Spiele, Special Editions, Konsolen oder eben das NES Mini. Viel zu oft kann das Angebot die Nachfrage nicht decken, Konsumenten suchen ihr Glück im Internet und die Preise schießen in die Höhe. Das nervt und es zeugt von ineffizienter Planung. Doch hat Nintendo oft bewiesen, dass sie bereit sind, dieses Risiko einzugehen. Zu wenig zu produzieren, ist keine gute Situation. Zu viel zu produzieren wäre aber schlimmer. Wenn viel mehr angeboten als nachgefragt wird, liegt ein sogenannter Angebotsüberschuss vor. Die Produkte liegen in den Regalen der Händler, verkaufen sich nicht schnell genug und nehmen eigentlich nur Platz weg. Die Händler reagieren, indem sie die Preise senken. Das Produkt verliert an Wert. Für Nintendo wäre das der “worst case”. Nintendo verkauft manche Spiele noch Jahre nach Release zum Vollpreis. Ein Mario, das, wie es für viele andere Spiele üblich ist, nach wenigen Monaten nur noch die Hälfte kostet, würde Nintendo sehr schaden. Viel mehr als wütende Kunden, die heute keine Switch im Handel finden können. Aus Kundensicht ist das natürlich keine schöne Situation, aber Nintendo denkt hier langfristig. Mögen die Kunden heute auch wütend sein, morgen kaufen sie sich eine Switch und haben diese Probleme schon wieder vergessen.

Ganz genau passt das NES Mini hier nicht rein. Es gibt immer noch einen Nachfrageüberschuss (das Gegenteil eines Angebotsüberschusses, die Nachfrage kann nicht bedient werden). Binnen weniger Minuten sind sämtliche Lager leer geräumt und Kunden, die dazu bereit sind das Geld auszugeben, können es nicht. Viele Kunden haben sicherlich noch nie ein NES Mini im Handel gesehen. Zu diesem Zeitpunkt die Produktion einzustellen, ist sehr unüblich.

Preisstabilität
Wer offiziell NES-Spiele spielen möchte, muss dies über die Virtual Console machen. Ein NES-Spiel auf dem 3DS kostet 5 Euro. 30 NES-Spiele entsprechen somit 150 Euro, zusätzlich zu den Kosten für einen 2DS oder 3DS. Das NES Mini mit seinen 30 Spielen für 70 Euro ist für Nintendos Verhältnisse ein richtiges Schnäppchen. Vielleicht ein zu gutes Schnäppchen. Vielleicht fürchtet sich Nintendo vor der Entwertung der eigenen Spiele. Das mag für die alten NES-Titel sehr abstrus klingen, doch verkaufen diese sich immer noch und das für 5 Euro pro Spiel. Sollte das NES Mini nun für immer in den Regalen der Händler liegen, könnten Nintendo viele Einnahmen auf der Virtual Console auf 3DS und (irgendwann mal) Switch entgehen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass Nintendos Spiele billig sind. Die Kaufbereitschaft für NES-Spiele für 5 Euro könnte längerfristig sinken. Dieses Risiko will Nintendo vielleicht erst gar nicht eingehen, auch wenn das NES Mini kurzfristig Geld in die Kassen spülen könnte.

Opportunitätskosten
Wir wissen nicht, wie viel die Produktion eines NES Mini eigentlich kostet. Allzu teuer dürfte das Material nicht sein, aber für uns versteckte Kosten (wie die Lizenzgebühren) könnten die Erlöse pro Einheit erheblich reduzieren. Vielleicht verdient Nintendo gar nicht so viel Geld mit dem NES Mini oder aber nicht genug Geld. Hier kommen die Opportunitätskosten ins Spiel. Einfach formuliert entstehen diese Kosten, wenn man sich für eine Alternative statt einer anderen Alternative entscheidet. Statt weiter das NES Mini zu produzieren, könnte Nintendo die Produktionskapazitäten auch für die Switch oder den 3DS verwenden. Ein großes Problem am NES Mini ist die Tatsache, dass der potenzielle Erlös gedeckelt ist. 70 Euro für das Gerät, 10 Euro für einen zusätzlichen Controller. Mehr geht nicht. Im Vergleich dazu ließe sich mit dem Verkauf eines 2DS sehr viel mehr Geld durch den Verkauf von weiteren Spielen verdienen. Statt das NES Mini weiter herzustellen, könnte man die Produktionskapazitäten auch komplett einstellen und so Geld einsparen. Alles reine Spekulation, aber Opportunitätskosten spielen häufig eine Rolle bei merkwürdig anmutenden Entscheidungen.

Was auch immer die Gründe sein dürften, diese Entscheidung ist typisch Nintendo: Sie ist verwirrend. Für uns Außenstehende gibt es eigentlich keinen guten Grund, die Produktion eines derart populären Produkts einzustellen. Viele hatten noch nie wirklich die Chance das NES Mini überhaupt zu kaufen. Und die Chancen werden immer kleiner. Vielleicht wird Nintendo hin und wieder ein paar limitierte Stückzahlen für Events herstellen, vielleicht steht das SNES Mini oder NES Mini 2.0 mit anderen Spielen schon in den Startlöchern. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Mag vielleicht alles sein, trotzdem nervt es. Während sich Händler auf gewissen Auktionsseiten beim Gedanken der bald in die Höhe schießenden Preise des NES Mini schon freudig die Hände reiben, bleiben viele von Nintendos größten Fans auf der Strecke. Weil sie das NES Mini nicht kaufen können, obwohl sie es kaufen wollen.

Warum? Weil Nintendo.

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Die Kolumne ist wie immer ein Fest und ein Fixpunkt der Woche auf den ich mich freue!

Möglicherweise spielt der Hack auch eine Rolle? Schließlich kann man relativ einfach NES- und SNES-Spiele auf dem Gerät installieren, was nicht im Sinne von Nintendo sein dürfte.

Denk ich auch, wobei sie bestimmt damit gerechnet haben.

Danke für die tolle Abend Lektüre …

jaja der NES Classic mini … so ein tolles Stück Hardware und jetzt schon wieder ein Sammlerstück

Super Kolumne. :clap:

Zuerst denkt man an eine typisch, hirnrissige Entscheidung seitens Nintendo aber die Gedanken darüber die in der Kolumne zusammengefasst wurden klingen sehr plausibel und lassen das ganze in ein ganz anderes Licht erscheinen. :wink:

Ich hab zum Glück meine. Wer aber für das Teil die Wucherpreise zahlt ist selber Schuld. Den eigentlich zahlt man dann nur für das NES Gehäuse. Das Innere gibt es deutlich besser und effektiver…

3D Drucker an und schon hat man ein NES Gehäuse. Oder noch besser: einen der zig “richtigen” NES kaufen und das Innere aufpimpen und schon hat man den Retrocharme mit allen NES Titeln. :wink:

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Ich frage mich immer, warum Nintendo so krass an ihrer “NES-VC-Preisen” festhält. Sie verdienen damit Geld. Aber mich schrecken die Nintendo-Preise insgesamt eher ab.

Der Mini-NES war endlich mal fair vom Preis und dann wird das Gerät wieder vom Markt genommen. Weil wohl demnächst die VC auf der Switch vorgestellt wird und wir alle zum xten-mal für Super Mario World und Mario Kart 64 bezahlen sollen.

Preislich ist mir Nintendo immer ein Rästel. Das neue Spiele 60 bis 70 Euro kosten, ist ok. Aber 20 Jahre alte Titel nicht mal gratis im Abo-Dienst anbieten? Oder es mal wenigstens hinbekommen, die VC-Spiele von der WiiU gratis auf die Switch übertragen zu können. Man hat doch schon dafür bezahlt. Wie oft denn noch?

Bin wirklich kein MS-Fan, aber aktuell baut die XBox ein ziemlich coole Gaming-Libary auf. Anstatt dass Nintendo das irgendwie übernimmt, wird man wohl immer für alte NES-Titel “immer wieder” bezahlen müssen. Weil der Nintendo-Konzern bleibte gehen würde, wenn er Super Mario Bros. 3 allen Switch-Besitzern gratis zur Verfügung stellen würde.

Von daher finde ich, dass sich Nintendo mit solchen Preis-Maßnahmen inkl. Produktionsende des NES-Mini irgendwie selbst ins Knie schießt. Irgendwie schade … MS haut 30 tolle Rare-Titel für 30 Euro raus. Sega macht für 50 Euro eine Mega Drive Collection für XBox 360 und PS3. Und Nintendo?.

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Der einzige Grund weshalb Nintendo das NES-Mini auf den Markt gebracht hat war Marketing. Marketing für die Marke Nintendo. Den Hype den Nintendo um das kleine Ding, und vor allem um die eigene Marke, generieren konnte, hätten sie nie durch simple Werbung erreichen können. Nicht zu dem Preis.
Apropos Preis, wieviel Gewinn wird das NES-Mini für Nintendo eingefahren haben? Vermutlich gar keinen. Klar, den Großteil der Rechte an den 30 Spielen besitzt Nintendo selbst. Die anderen mussten Lizensiert werden. Das Ding, wenn auch “günstig” in der Herstellung, produziert sich nicht von selbst. Auch das kostet Geld, genauso wie Marketing, Shipping etc.

Auch der Handel wird kaum etwas damit verdient haben. Wenn aber die Kunden scharenweise ins Geschäft strömen um vielleicht doch noch so ein Teil zu bekommen, ist auch das unbezahlbar.

Das NES-Mini erschien zu Weihnachten, die Switch nicht. Das Echo, dass dieses kleine Ding erzeugt hatte, hallt bis über den Launch der Switch hinaus. Auch wenn es jetzt viele Negativmeldungen zur Einstellung des NES-Mini gibt und viele, vor allem ältere und ehemalige Nintendo-Fans, jetzt enttäuscht sein mögen, was in den Hinterköpfen übrig bleiben wird ist die Marke Nintendo. Nicht bei uns, aber bei den ehemaligen Nintendo-Spielern. Die Switch ist nun da und sie ist erfolgreich. Erfolgreicher als es Nintendo gehofft hat. Das NES-Mini hat seine Aufgabe also erfüllt.

Ah du schreibst mir aus der Seele. Die Preispolitik von Nini ist sehr fragwürdig. Aber scheinbar gehrs. Entweder weils so vieöe hartgesottene Fans gibt, oder weil man Nintendo solche Presie leichter verzeiht als anderen (man ist ja damit aufgewachsen)…wer weiss?

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Nintendos Preispolitik stemmt sich halt gegen den Trend des Entwertens. Dank Abomodellen und Streamingdiensten verlieren Filme, Serien und Musik immer mehr an Wert. Jetzt mag dir Spotify zwar erzählen, dass die Musikindustrie als Ganzes mehr Geld durch Streaming erzielt als durch den Albenverkauf, aber das viele Geld geht ja eh wieder an die großen Labels. Für Nintendo ist es überlebenswichtig, dass sie ihre Produkte zu einem guten (also hohen) Preis verkaufen können. Immer und immer wieder.

Bei so alten NES oder SNES-Spielen stört es mich nicht allzu sehr, da ich eh nur die selben 4 bis 5 Spiele haben möchte.

Ja, die Theorie ist schon nicht dumm. Wobei das für Nintendo schon etwas eigenartig wäre. Eigentlich denken sie nicht so kurzsichtig und mal eben ein ganzes Produkt auf diesem Level für Marketing herzustellen, ist eigentlich nicht typisch Nintendo.

Aber was ist schon typisch Nintendo. :wink:

Ja, es klingt sehr untypisch. Dennoch glaube ich nicht, dass Nintendo mehr mit dem NES-Mini vor hatte als Aufmerksamkeit zu generieren. Für ein Nintendo-Produkt war das Ding zu billig und es hätte sich für 99 € genauso gut verkauft. 30 Spiele für je einen Euro, Hardware-Kosten bereits abgezogen, ist mämlich genauso untypisch. :wink: Aus diesem Grund bin ich auch skeptisch, was nachfolgende Mini-Konsolen von Nintendo betrifft. Wenn da nichts mehr nachkommt, würde es mich nicht wundern.

Naja, Kundenfreundlich ist etwas anderes. Bei meiner DVD-Sammlung bin ich heute auch noch froh, dass der Blu-Ray-Player diese abspielt, selbst in Zeiten von Streaming-Diensten. Da muss ich auch nicht alle 5 Jahre wieder fünf Euro hinlegen, um einen älteren Film nochmal nutzen zu können …

Ich habe zumindest keine Lust, immer und immer wieder für die gleichen Titel zu bezahlen. Löst MS irgendwie eleganter. Da könnte sich Sony auch mal eine Scheibe davon abschneiden!

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lol der war gut…

Unternehmensfreundlich bedeutet halt nicht immer kundenfreundlich. Dass anscheinend genug Leute immer noch dazu bereit sind, 5€ für die alten Schinken auszugeben, ist ein großer Vorteil für Nintendo. Diese Zahlbereitschaft hat Nintendo über die Jahre konstant hoch gehalten, weil die Preise halt auch hoch geblieben sind. 90% Sales wie auf Steam wird man bei Nintendo nie sehen. Zumindest gab es auf der Wii U ja das Upgrade-Programm für Virtual Console-Titel. Vielleicht kommt auf der Switch ja was Ähnliches.

Rein wirtschaftswissenschaftlich betrachtet war das NES Mini wahrscheinlich viel zu günstig. Sicherlich hätten viele Fans auch 100€ dafür ausgegeben, was zu weniger Lieferengpässen geführt hätte. Aber hätte hätte Fahrradkette.

Das es “genug” sind mag ich stark bezweifeln. Es spült sicher Geld in die Kassen aber eben nicht unbedingt Unsummen. Nach der Wii ist der 3DS ist der Grund wieso es Nintendo so noch gibt. Ich habe mir damals auf der Wii ein zwei VC Spiele gekauft, waren aber N64 und SNES Games und die auch nur mit Guthaben durch die Nintendo Punkte damals. Würde nie 5€ für ein NES Game ausgeben.

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Naja, Nintendo hätte locker vom Mini-NES die doppelte Menge absetzen können. Der Gewinn geht ihnen nun flöhten …

Ich würde auch klar VC-Games bevorzugen, wenn man dies von Konsole A kostenneutral auf Konsole B übertragen könnte.

Nach dem schlechten Management um das Mini-NES habe ich auf einen Mini-SNES gar keine Lust mehr. Als Kunde will ich mich doch nicht um die “zuwenig produzierten Einheiten” schlagen müssen. Zustände wie in der DDR … Nein, danke …

Nintendo hat von Anfang an Gesagt es wird eine kurzfristige Auflage sein zum Jubiläum.

Ich finde sowas eigentlich ganz angenehm in Zeiten wo jede Special Edition nach einigen Wochen eh wieder verramscht wird. So sagen sich wieder alle “na ich warte bis es billiger wird” Wohin das führt siehst du auf Steam oder auf iOS / Android wo es kaum noch richtige Games gibt weil ja 1,99 zu teuer ist.

SNES wird kommen mit 20-25 Games um 99,-- und gut ist. Und wer lieber Raubkopien spielen will, der soll das tun aber sich nicht ständig irgendwelche neuen Ausreden einfallen lassen.

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Auf Steam kommen keine richtigen Games mehr? :open_mouth: Das wäre mir neu.

Und auch den letzten Satz musst du mir bitte erklären, was für Ausreden?